Mittwoch, 24. April 2013

Elfte Etappe: Cluj/Rumänien

Ich habe eigentlich Stoff für 30 Posts, mir geht einfach so viel durch den Kopf. Die vor uns liegenden nur noch zweieinhalb Wochen sind das Ende unserer Freiwilligentour quer durch Europa. Und angesichts dem, was alles hinter uns liegt, habe ich beschlossen, ein paar Sachen anders zu machen. Ich werde jetzt erst mal nur über unseren neuen Aufenthaltsort berichten, es wird noch ein Florenz-Post kommen und einige Erfahrungsberichte zu der letzten Woche. Fotos habe ich keine gemacht, ich konnte es einfach nicht, und selbst wenn, dann hätte ich die euch sicherlich erspart.


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Wir sind jetzt also in Cluj-Napoca, Rumänien. Eigentlich ist es eine schöne Stadt, nach außen hin. Aber ich finde sie hässlich, denn wenn man die schönsten Gebäude wegnimmt, kommt das Elend ans Licht. Generell ist hier alles ziemlich zeitgemäß entwickelt, die Stadt hat Kirchen, ein modernes, schick aussehendes Rathaus, Bibliotheken, Schulen, mehrere Universitäten, an denen auch deutsche Fächer und Studienrichtungen angeboten werden, viele Partnerstädte, Kinos, Theater, Opern, Museen, Sprachzentren, Forschungsstationen und solide Arbeitsplätze. Alles schön, wenn man ankommt. Aber ich habe nur drei Tage gebraucht, um das Mustersystem zu durchschauen.
Gestern waren wir zum ersten Mal im regierungsunabhängigen Informationszentrum für Roma und haben uns dort einen Vortrag über die Lebensbedingungen der in der ganzen Stadt verstreut lebenden Minderheiten angehört. Du gehst optmistisch rein und kommst schockiert wieder raus, leider wahr. Dieses Zentrum (Centrul de Resurse pentru Comunitatile de Romí) versucht, die Lebensstandards der Roma zu verbessern und ist für die nächsten knapp drei Wochen unser Arbeitsplatz.
Heute waren wir zum ersten Mal in Someseni, wo die Roma in ihrer Siedlung leben. Nur kurz, aber trotzdem schlimm. Den Rauch von der Müllkippe daneben riecht man noch vier Kilometer davon entfernt. Ich habe danach wirklich geweint und war so verdammt froh, dass Tobi bei mir ist.

Wir wohnen hier in einer kleinen Jugendherberge, was ich ziemlich gut finde. Sicherlich hätte ich es nicht schlimm gefunden, auch hier eine Gastfamilie zu haben, aber erstens steckt mir noch die gesamte letzte Woche in den Knochen und wahrscheinlich wäre ich dann für jede Familie nicht so wirklich ansprechbar gewesen, was die dann bestimmt komisch gefunden hätten (eine Gastfamilie ist meistens offen zu einem selbst, verlangt aber auch unbewusst, dass man sich selbst auch öffnet und an deren Leben teilnimmt), und zweitens hätte ich hier in dieser Stadt eher Angst, bei einer Familie zu landen, die nur sich selbst im Kopf hat und sich nicht dafür interessiert, was wir machen, warum wir es machen, was das Ziel ist und wen es betrifft. Unsere Chefin hat uns nämlich erzählt, dass die meisten normalen Durchschnittsbürger von Cluj eher wegsehen und vorbeigehen. Laut einer Umfrage wissen viele nicht einmal dass es ein Zentrum für Roma oder auch andere Minderheiten gibt. Sie wollen das nicht wissen, sie wollen nur ihren Frieden und genug Geld zum Leben. Über jede Spende freut sich das Zentrum. Wenn das mal keine nette Menschheit ist!

In dieser ersten Woche haben wir erst mal jeden Tag Rumänisch-Crash-Kurs. Wirklich von morgens bis abends, noch bis Freitag. So langsam ist Rumänisch jetzt schon schlimm, aber auch interessant. Und außerdem ist es eine romanische Sprache, und ob man es glaubt oder nicht, gibt es viele Parallelen mit dem Spanischen und noch viele mehr mit dem Französischen. Also hat Tobi mal wieder mehr zu kämpfen als ich, worüber er sich nicht gerade freut. ;)
Jeden Abend nach dem Rumänisch-Kurs besuchen wir immer unsere Chefin, die uns jeden Zipfel des Roma-Zentrums zeigt. Ganz schön viel auf einmal, aber irgendwie muss das so schnell wie möglich in meinen Kopf, denn Jenaya, unsere Chefin (sie kann glücklicherweise Englisch) meinte bei unserem ersten Treffen, dass wir wie gerufen kommen würden und sofort anfangen könnten, wenn unsere Entsendeorganisation nicht noch tausend Sprach- und Kennlern-Kurs vorschreiben würde.


Quelle: Google

Freizeit haben wir wahrscheinlich nur am Wochenende und das auch nicht sonderlich viel. Dieses Wochenende zum Beispiel hat Jenaya mit noch zwei Kollegen ein Gespräch mit dem Bürgermeister und will uns mitnehmen. Sie möchte versuchen, ihn zu überzeugen, dem Zentrum für sein neustes Projekt Geld zu geben, was er laut ihr aber wahrscheinlich ablehnen wird. Jenaya regt sich jeden zweiten Tag über diesen "machthungrigen", "idiotischen", "niemals hinsehenden" und "geldgeilen" Bürgermeister auf, ich bin ja gespannt auf Samstag, was das für eine Person ist. 

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