Mittwoch, 6. Februar 2013

Dritte Etappe: Galway/Irland

Die Woche in Kroatien ist in allen Knochen zu merken, man fühlt richtig, dass wir jetzt woanders angekommen sind, es wird nämlich ein klein bisschen ruhiger, aber trotzdem immer noch anspruchsvoll und vor allem ziemlich ermüdend. Wir sind jetzt in Galway, einer kleinen Stadt im Westen Irlands, gelandet. Vorerst mal wieder mein Fazit zu Kroatien!


K R O A T I E N - F A Z I T :

Es war eine anstrengende, aber total aufregende Woche in der kroatischen Hafenstadt Zadar. Zeit war zwar ein Fremdwort und wir hatten in unserem anspruchsvollen Job auch echt viel zu tun, aber die Erfahrung hat sich auf jeden Fall gelohnt. Ich vermisse Ninka jetzt schon ;)
Unsere Gastfamilie war sehr durchwachsen. Anfangs total nett, am Ende konnte ich mit der einen Tochter, Zlata, überhaupt nicht mehr. Die hat mich auf Kroatisch angeschrieen und es total genossen, dass ich kein Wort verstehe. Ninka hat mir dann fassungslos übersetzt, dass sie mich "Miststück" und "Schlampe" genannt hat und dass ich Tobi nicht verdient hätte. Schade, ich habe ihr nie was getan, laut Ninka war sie wohl sehr eifersüchtig.
Unsere Arbeit fand ich total spannend, im Prinzip haben wir mit unserem eigenen Leben gearbeitet, denn das, was wir sind, das durften wir präsentieren. Mit der Chefin, Voka, haben wir auch noch Kontakt. Alles in allem eine tolle Woche mit wenig Schlaf, aber dafür vielen neuen Eindrücken. Und natürlich war ich mal wieder ganz traurig, als wir wieder gehen mussten. Mit Ninka wird so oft geskypt wie möglich!



Nun aber zu unserem neuen Aufenthaltsort. Ich muss sagen, ich wollte Zeit meines Lebens schon immer mal nach Irland. Dass sich dieser Traum jetzt erfüllt hat, ist wirklich der totale Wahnsinn. Die grüne Insel ist sogar noch schöner, als ich sie mir vorgestellt oder auf Bildern gesehen habe. Zuerst angekommen sind wir in der Hauptstadt Dublin, die wir auch noch eine Weile begutachten konnten, bevor es mit dem Zug weiter nach Galway ging.



G A L W A Y :

...heißt auf Gälisch Gaillimh, aber vor der irischen Landessprache hab ich jetzt schon kapituliert. Ist eine ziemlich süße Stadt, mit den ganzen Pubs. Allerdings gibt es nicht ein landestypisches Restaurant. Also wenn man mal schön irisch essen gehen will, Fehlanzeige! Dafür gibt's viele Italiener und Chinesen. Die Stadt liegt direkt am Meer, deshalb kann man überall Fisch essen, was für mich jetzt nicht ganz so optimal ist, denn ich mag keinen Fisch. Alles wirkt hier total entspannt, lässig und spontan, immer für eine kleine Party zu haben. Und so scheinen auch die Menschen Irlands zu sein. Besonders hier in Galway sieht es so aus, als ob die Leute das Leben genießen. In Dublin herrschte eine nicht ganz so relaxte Stimmung. Hier sind viele total kreativ, erst gestern haben wir einen Straßenmaler gesehen, der mitten in der Innenstadt mal eben ein 3D-Kunstwerk aus dem Hut gezaubert hat. Tobi und ich haben uns hier auf jeden Fall eine Kneipentour vorgenommen.



U N S E R E   G A S T F A M I L I E :

...ist eine typisch irische Familie, die sogar keltische Vorfahren hat. Mal wieder sind wir in einer sehr lebhaften Familie gelandet. Ann und Thomas haben drei Kinder, die alle etwas jünger als wir, aber trotzdem sehr liebenswürdig sind. Aine ist die Älteste, dann kommt ihr Bruder Tadhg und die Jüngste ist Saoirse. Ich habe bei allen drei Namen immer noch keinen Plan, wie man die ausspricht. Tadhg ist schon ganz genervt, weil er seinen Namen immer wieder wiederholen muss, die Mädels finden das eher lustig.
Die Familie wohnt mitten in Galway, die Kinder gehen vier Straßen weiter zur Schule und die Eltern arbeiten am Stadtrand. Sehr häufig bringen die Kinder irgendwelche Freunde nach Hause, dann geht es noch turbolenter zu als sonst. Besonders Aine hat da sehr zu tun, sie scheint ziemlich beliebt zu sein. Das Gerücht, dass alle Iren rothaarig sind, ist wirklich nur ein Klischee, denn unsere gesamte Gastfamilie ist dunkelblond.

U N S E R E   A R B E I T :

Wir arbeiten nicht direkt in Galway, sondern in einem kleinen Ort mitten in Connemara. Unser Arbeitsplatz ist ein Reiterhof. Ich weiß, das klingt etwas seltsam und Tobi war auch zuerst total schockiert und dann eher skeptisch, denn der hat mit Pferden absolut gar nichts am Hut.
Ich schon eher. Ich darf mich um die Pferde kümmern, sie für Reitgäste fertig machen und gelegentlich auch selbst reiten. Übermorgen darf ich sogar meine allererste Reitstunde selbst geben, denn Fiona, die Tochter der Reiterhof-Familie und unsere "Chefin", hat etwas anderes zu tun und keine Zeit dafür. Fiona ist total cool, es geht von ihr aus, dass ich auch mal mit ihr zusammen ausreiten kann, denn eigentlich darf ich das nicht. Ich habe Erfahrung mit Pferden, früher war ich regelmäßig reiten. Aus Zeitmangel musste ich leider aufhören, dann kam halt die Tanzschule, aber so was verlernt man nicht ;)
So, was macht Tobi? Dessen Skepsis ist nicht mehr ganz so groß, denn er hat wirklich wenig mit den Pferden zu tun.
Der Reiterhof ist ein Projekt. Hier wohnen viele Jugendliche mit sozialen, finanziellen oder schulischen Problemen. Für einige ist es die letzte Chance, sie sollen hier lernen, wieder Verantwortung für etwas zu übernehmen. Die Mädels, die hier leben, haben meistens alle ein Pflegepferd, um das sie sich kümmern müssen, die Jungs manchmal auch, aber die meisten bekommen spezielle Trainingseinheiten. Tobi ist für die Jungs wie eine Vertrauensperson, denn für viele ist es einfacher, etwas einem so ziemlich Gleichaltrigen zu erzählen, als dem Jahre älteren Robert, der für die Jugendlichen eigentlich verantwortlich ist. Demnach bin ich auch für die Mädels da, denn einige wollen auch nicht alles mit einem erwachsenen Mann bereden, man kennt das ja.
Tobi ist sozial hochengagiert, er hat auch dafür ein Händchen. Zurzeit versucht er, einige Jungs, die schon als hoffnungslose Fälle abgestempelt wurden, hinter dem Ofen hervorzulocken und dieser typischen Abwehrhaltung entgegen zu treten. Eigentlich nicht gerade ungefährlich, zwei der Jungs und auch ein Mädchen sind extrem aggressiv und haben eigentlich überhaupt keinen Bock. Einmal wurde er schon fast verprügelt und auch schon zweimal angespuckt, wobei Robert dann immer sofort zur Stelle ist. Das ist hier kein Zuckerschlecken, zwar von der Zeitaufteilung ruhiger als in Kroatien, aber dennoch viel härter als Zadar und Valencia zusammen. Ich frage mich ernsthaft, warum wir für solche Fälle genommen wurden, wir haben ja nicht einmal eine sozialpädagogische Ausbildung.

U N S E R E   B I S H E R I G E   W O C H E  /  U N S E R   Z E I T P L A N :

Jeden Tag müssen wir 6 Uhr aufstehen und fahren mit einem Auto, das Tobi für die Zeit, in der wir hier sind, leihweise überlassen wurde, zu unserem Reiterhof. Zuerst sind wir beide immer noch zum Frühstück machen eingeteilt, wobei uns jeden Tag zwei andere Jugendliche helfen. Mit den meisten klappt das gut, andere haben keinen Bock und reagieren sehr abwertend. Gestern hat einer der beiden männlichen Extremfälle mal eben das ganze Geschirr vom Tisch gefegt und uns auf Gälisch angeschrieen. Tobi hat sich dann ganz kühl vor ihm aufgebaut und gemeint, dass er, wenn er ein Problem hat, mit uns auf Englisch reden und sich nicht feige hinter seinem unverständlichen Gälisch verstecken soll. Da war erst mal ungefähr zehn Sekunden Ruhe. Tobi ist für ihn keine Respektsperson, aber ein Gleichaltriger, der ihm mal ordentlich die Meinung gegeigt hat. Natürlich ging er, Sean heißt er übrigens, dann sofort auf Abwehrhaltung, aber in ihm hat es gearbeitet, Tobi kann stolz auf sich sein.
Nach dem Frühstück trennen sich unsere Aufgaben. Ich bin dann bei Fiona im Stall zu finden und Tobi hilft Robert mit den Jugendlichen. Vormittags haben alle Jugendlichen Aufgaben. Die meisten Mädels müssen sich um ihr Pflegepferd kümmern, was ich betreuen soll, die Jungs und übrig gebliebenen Mädchen bekommen je nach "Problem" spezielle Aufgaben, Trainingseinheiten oder Programme. Tobi passt auf, dass da alles friedlich abläuft.
Wir dürfen denen natürlich keine Anweisungen erteilen, wir dürfen auch nicht im Alleingang etwas entscheiden, wir sind nur dazu da, die Betreuer etwas zu unterstützen und für die Jugendlichen mehr oder weniger eine Vertrauensperson zu sein. Zum Beispiel hab ich es bereits geschafft, dass ein Mädchen, das schwer depressiv ist und schon sieben Selbstmordversuche überlebt hat, sich mir anvertraut und bei mir ausgeheult hat. Und die Pferde helfen vielen auch ungemein.
Der Reiterhof ist außerdem beim Pferderennen immer ganz groß dabei. Jedes Jahr im September sind die Galway Races und da ist mindestens ein Pferd von unserem Arbeitsort ganz vorne dabei. Schade, dass wir nicht im September hier sein können, um zuzusehen!

So läuft das hier eigentlich jedes Tag. Jetzt am Wochenende werde ich mit Fiona zu einem Springturnier fahren, Tobi, Robert, Christine und Karen (die Sozialpädagoginnen des Hofs) machen mit den Jugendlichen einen Ausflug irgendwohin zu irgendwelchen Klippen. Da ich Höhenangst habe, hab ich mich sogar freiwillig für das Turnier entschieden.



Obwohl diese Arbeit hier nicht so heftig ist wie in Kroatien, ist es trotzdem ein Knochenjob und wir haben weniger Zeit als erwartet. Aber es ist schön hier. Am Montag sind wir dann leider wieder weg, dann geht es nach Finnland. Hilfe, finnisch soll so verdammt kompliziert sein. Ich bin ja mittlerweile froh, dass ich ein paar Worte Kroatisch, einige Brocken Gälisch und ziemlich gutes Spanisch hinkriege. Ich muss meinen Irland-Bericht noch fertig bekommen, aber Blog hat jetzt erst mal ein bisschen Vorrang, denn heute ist so gesehen ein besonderer Tag!

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